Das Leben von Otto Bollhagen – 1883 bis 1886
Otto Bollhagen – 1883 bis 1886
Bollhagen hielt sich nicht allzu lange in Hamburg auf, sondern wechselte wieder nach Berlin, ehe er im Herbst des Jahres 1883 zum Jägerbataillon in Ratzeburg eingezogen wurde, wo ein neuer Abschnitt seines Lebens begann. Während seiner zweijährigen Militärzeit malte er größere Porträts seiner Kameraden in schwarzer Kreide nach Photographien, was sehr beliebt war. Für einen sehr geringen Preis zeichnete er Stadtansichten und malerische Punkte für einen Buchhändler, der sie vervielfältigen ließ. Nach seiner Entlassung begab er sich erneut nach Berlin und betrieb neben seiner Arbeit weitere Studien im Kunstgewerbemuseum.


Im Frühjahr 1886 ging er wiederum nach Hamburg und übernahm »recht hübsche Aufgaben selb ständiger Art auf dem Gebiet der dekorativen Malerei« in den ersten Patrizierhäusern im Auftrag seines früheren Arbeitgebers. Es gelang ihm sogar, einen finanziellen Engpaß durch den Verkauf von in Berlin ausgeführten Kopien von Decken- und Wandmalereien aus dem Fuggerhause in Augsburg an das Hamburger Kunstgewerbemuseum zu überwinden. Er war zuversichtlich, daß sich »in dieser Patrizierstadt wohl als Künstler auf meinem Gebiete ( ... ) eine sichere Existenz gründen« ließe. Um dem allzu heftigen Werben einer »Berliner Pflanze« und den Avancen einer »Hamburger Deern« zu entgehen, flüchtete er im Jahre 1886 nach Bremen, wo er im Frühsommer eine Stellung im Malergeschäft von J. Neumark annahm und nur vierundzwanzig Stunden nach seiner Ankunft »als Künstler« in den Betrieb des neuen Arbeitgebers eintrat. Seine Tätigkeit bestand »in vollständig selbständig freiem Entwerfen, Zeichnen und Malen«. Das Atelier Neumark bot ihm viele interessante künstlerische und dekorative Aufgaben.
Im Hause von Joseph Neumark, mit dem Bollhagen auch bald gesellige Privatkontakte pflegte, lernte er den prominentesten Architekten Bremens, Johann Georg Poppe (1837 - 1915), kennen, der gerade mit der überaus reichen Ausstattung der im Bau begriffenen ersten Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd betraut war. Poppe schätzte Bollhagens Arbeiten ebenso wie er einen gewaltigen Einfluß auf ihn ausübte.
Als Architekt der alten Schule schwelgte Poppe in den klassischen Stilarten. Er war »ein Meister im Schaffen von prunkvollen Wohn- und Festräumen sowie der Schöpfer der damals in Bremen gebauten größeren Patrizierhäuser«.
Er bot Bollhagen Aufgaben an, die »meinen Talenten und meiner Begabung entsprachen«. Neumark versuchte, Bollhagen durch einen auf fünf Jahre befristeten und mit beachtlichen 4 000 Mark Jahresgehalt dotierten Arbeitskontrakt an sich zu binden, »weil derselbe wohl damals schon empfand, daß bei dem schnellen Bekanntwerden meiner besonderen künstlerischen Leistungen ich bald sein schlimmster Konkurrent werden könne«. In dem Betrieb, der bis zu 100 Gehilfen beschäftigte, die natürlich überwiegend Anstreicherarbeiten ausführten, lag die Leitung der gesamten dekorativen Arbeiten in der Hand von Bollhagen, der gelegentlich diesen oder jenen talentierten Gehilfen zur Mitarbeit heranzog. Der damaligen Geschmacksrichtung entsprechend mit der Vorliebe für ungemein reiche und pomphafte Ausstattung der Wohnräume in den Patrizierhäusern hatte Bollhagen reichlich Gelegenheit, seine in der Praxis und im Kunstschulstudium erlernte dekorative Malkunst anzuwenden. Während seiner fast siebenjährigen Tätigkeit bei der Firma J. Neumark hatte Bollhagen mehrfach die Möglichkeit, in den überaus reich ausgestatteten Salons der damals noch in England gebauten Schnelldampfer des NDL dekorative bildnerische Arbeiten auszuführen. Verschiedene Nebenarbeiten wie Plakatentwürfe oder Bildserien für die Liebig-Kompanie brachten willkommene Zusatzeinnahmen.

So schuf er in mehreren Jahren, abends bei Petroleumlicht die beliebten Liebig-Karten malend, eine ganze Reihe dieser kleinen Bildserien mit allen möglichen stofflichen Motiven aus dem Tier-und Pflanzenbereich, aus der Architektur, aus Opern oder Volksgebräuchen. Für jede Serie erhielt er 400 Mark, so daß er neben der Tilgung von Schulden die für ihn »große Summe« von 2 000 Mark sparen konnte, mit der er im März 1892 den Schritt in die Selbständigkeit wagte, nachdem Neumark es abgelehnt hatte, ihn als Teilhaber aufzunehmen.